Ich war drei Monate in Kanada, Victoria, das liegt auf Vancouver Island in British Columbia. Als ich wieder kam, wurde ich oft gefragt, wie es war und ich solle doch mal erzählen. Aber Tatsache ist, dass man – abgesehen von den oberflächlichen Sachen – eine so unglaubliche Zeit mit so vielen, schönen Momenten nicht einfach mal so in Worte fassen kann. Man muss es erleben. Aber ich gebe natürlich mein Bestes. Ich fange einfach von vorne an:
Ich wollte den Auslandsaufenthalt machen, weil ich einfach aus mir hinauswachsen wollte, mal was anderes erleben und das irgendwie ohne Mama und Papa an meiner Seite. Zuerst kurz zu meiner Organisation isec: Sie war eine große Unterstützung! Es gab mehrere ausführliche Beratungen – sowohl durch E-Mails also auch persönlich in einem Vorstellungsgespräch, bei denen auf meine Vorlieben, Wünsche und Hobbys eingegangen wurde. Eine Besonderheit von isec ist, dass man sich sowohl den Ort, als auch die Schule weitgehend aussuchen darf. Als beschlossen war, wohin meine Reise gehen sollte, wurden meiner Familie und mir regelmäßig Broschüren o.Ä. geschickt, um mich (und auch meine Eltern) auf den Aufenthalt vorzubereiten (z.B. bezüglich der Kultur und Lebensart dort). Bei der Gastfamilie konnte ich zwar auch ein „ideales“ Profil angeben von Kriterien, die sie haben sollte, ausgesucht wurde sie letztendlich jedoch von der Organisation. Auch während ich in Kanada war, hatte ich stets einen Ansprechpartner (mein sogenannter „homestay- coordinator“, falls ich mit meiner Gastfamilie nicht zu Recht kommen sollte) und eine Notfallnummer, falls es Probleme gibt. Angefangen mich über einen solchen Aufenthalt zu informieren, habe ich ca. ein dreiviertel Jahr vorher.
Schließlich war alles geplant und die Vorfreude war groß, aber plötzlich ist es nur noch ein Monat, eine Woche, ein Tag hin und mir kamen immer wieder Zweifel auf, fast schon Panik. Ganz allein auf der anderen Seite der Welt, ganz allein auf mich gestellt. – Was, wenn irgendwas nicht klappt oder mich niemand versteht oder ich mich im Flughafen nicht auskenne und den Flug verpasse oder niemand mich mag oder meine Gastfamilie komisch ist oder … – Ich hätte ewig so weiter machen können.
Der Abschied kam und plötzlich stand ich in diesem großen Flughafen, wusste nicht, was mich erwartet, musste – zum ersten Mal – allein fliegen und umsteigen, auf den Weg in einen neuen Lebensabschnitt. Das war ein großer Schritt für mich. Ich kam in Vancouver an, um dort meinen Flieger zu wechseln. Und ich sah die Berge und das Meer und plötzlich war ich nicht mehr nervös, sondern habe mich wohl gefühlt und hatte gar keine Sorge mehr. Ich wurde herzlich von meiner Gastfamilie aufgenommen, sie haben mir alles gezeigt und am Abend gab es gleich ein großes Familienessen mit Truthahn und allen drum und dran. Alles war so unwirklich! Aber ich habe mich sofort total wohl gefühlt. Im Nachhinein war ich ein bisschen enttäuscht, da mir meine Gastfamilie zwar alles gab, was ich brauchte, aber unser Verhältnis trotzdem eher trocken und unpersönlich war.

Butchart Gardens, Saanich Peninsula
Die Leute in Kanada sind sehr herzlich! Es sind so Kleinigkeiten, die es ausmachen und die für mich ehrlich gesagt erst mal eine Umstellung waren. Zum Beispiel ist es dort ganz normal, sich bei dem Busfahrer zu bedanken, dass er einen mitgenommen hat. Auch kam ich mit so vielen fremden Leuten, egal wie alt oder ob obdachlos, ins Gespräch und es war jedes Mal sehr interessant. Auch ist es nicht gleich eine sexuelle Belästigung, wenn ein Typ einem den Kaugummi zahlt, sondern einfach nett. Die Menschen dort sind einfach unkompliziert und locker.
Und um mit den Klischees gleich mal aufzuräumen: Naja, sie sind fast alle wahr: 1. Kanadier frieren nie. Nie. Ein Freund von mir hatte keine einzige lange Hose! 2. Kanadier sind sehr höflich (und ich meine wirklich sehr höflich, wir Deutschen sind dort schon als „rude“ bekannt). 3. Sprich Kanadier nie auf Amerikaner an, oder vergleich sie gar mit ihnen, das führt nur zu Streit. Nur schneien tut es dort nicht die ganze Zeit (ja, ich lag bei 25 Grad am Meer, während in Deutschland Hochwasser war) und Bären laufen dir auch nicht gerade andauernd über den Weg, auch wenn es nichts Besonderes ist, dass ein Reh mal in deinem Garten ist oder ein Pfau durch den Park spaziert.
An meinen ersten Tag an der High School war ich super aufgeregt, aber es gab viele neue international Students und uns wurde alles gezeigt und neue Leute lernt man auch schnell kennen. Trotzdem ist es so, dass der Großteil meines späteren Freundeskreises auch Austauschschüler waren, da sie in der gleichen Situation sind wie man selbst und die einheimischen Schüler oft kein all zu großes Interesse zeigen, dich kennenzulernen und eine Freundschaft aufzubauen, weil sie wissen, dass man bald wieder weg ist. Irgendwie verständlich! Trotzdem sollte man nicht locker lassen bzw. es erst gar nicht versuchen.
Im Laufe der Zeit hab ich gelernt, dass es überhaupt keinen Grund gibt, Angst vor Neuem zu haben. Ich hab dort nie irgendwelche schlechten Erfahrungen gemacht und wenn etwas schief geht, dann darf man das eben nicht zu ernst nehmen, sondern sollte es positiv sehen. Ich denke, offen für Neues zu sein ist eigentlich die wichtigste Voraussetzung, um einen Auslandsaufenthalt zu machen. Auf jeden Fall, nach ungefähr einen Monat hatte sich alles eingependelt, ich hatte meinen Freundeskreis gefunden und auch so fand ich mich gut zurecht. Sachen wie, dass man mal eine Stunde gehen muss, weil der letzte Bus schon um fünf gefahren ist, waren nichts Besonderes mehr. Jeder Tag war etwas Besonderes, da bleibt kaum Zeit für Heimweh! Sowas wie „ich komme von der Schule heim, esse, und dann weiß ich noch nicht, was ich mach“ gab es bei mir quasi nicht. Die Zeit verging unglaublich schnell und vor allem am Wochenende hatten meine Freunde und ich meistens Größeres geplant. Auf dem Plan standen zum Beispiel Kajaking, Zip lining, ein Trip nach Vancouver, Festivals oder Rodeo. Natürlich alles selbst organisiert.
Nochmal zur Schule: Das System ist komplett anders, aber meiner Meinung nach wirklich gut! Ich war auf einer Gesamtschule und man hat jeden Tag bis ca. drei Uhr Schule. Trotzdem belegt man nur vier Fächer und die hat man dann jeden Tag in der gleichen Reihenfolge. Das klingt jetzt vielleicht monoton, war es aber nicht. In Sport haben wir zum Beispiel jeden Tag eine andere Sportart (unteranderem Baseball und Rugby) gelernt. Nach einem Semester wechseln dann die „classes“. Heißt im Klartext: Ein halbes Jahr Mathe, ein halbes Jahr nicht. Ich hatte Kunst, Englisch, Mathe und wie gesagt PE (Sport). Das Spektrum der Fächer war riesig! Von Holzarbeit über Rudern und Tanzen war wirklich alles dabei. An einer High School herrscht eine ganz andere Mentalität, als es in Deutschland üblich ist. Sport wird groß geschrieben und bei einen Rugby Spiel ist es selbstverständlich, dass die ganze High School zuschaut und ihr Team anfeuert. Man ist irgendwie eine Gemeinschaft dort, auch wenn man nur mit einem Bruchteil der Leute zu tun hat. Claremont war so das Klischee einer High School, wie man sie aus den Filmen kennt. Spints, die mit Spiegeln und Fotos auf der Innenseite beklebt waren durften da natürlich nicht fehlen und auch der Lunchroom und der Sportplatz waren typisch.
Aber wirklich realisiert, dass ich in Kanada bin, hab ich erst, als ich gefragt wurde, ob „Schnitzel“ ein Schimpfwort ist.
Und als dann alles zum Alltag wurde, war meine Zeit in Victoria auch schon so gut wie vorbei. Und so schwer es mir fiel herzukommen, so schwer fiel es mir wieder nach Deutschland zurückzufahren. Wenn nicht noch viel schwerer!
Es war, als würde man sein Zuhause verlassen, um nach Hause zu kommen.
Es waren 90 wundervolle Tage, an denen ich gewachsen bin, selbstständiger und offener wurde, gelacht und geweint habe, Freunde gefunden und Neues entdeckt und das Leben jeden Tag genossen habe. 90 intensive Tage, von denen ich keinen einzigen missen will.
Auch heute hab ich noch Kontakt zu vielen von meinen Freunden, auch wenn das aufgrund der Distanz nicht immer leicht ist. Trotzdem hab ich zwei von ihnen sogar schon wieder gesehen, Valerian aus Wien und Mona aus dem Allgäu und im Sommer wird mich ein Freund aus Tokyo besuchen. Es ist toll, Leute aus der ganzen Welt (Brasilien, Kolumbien, viele aus Mexiko, Österreich, allen möglichen deutschen Städten und natürlich Kanadier) zu kennen.
Auch wenn etwas Mut und Überwindung dazu gehört, kann ich jedem wirklich nur empfehlen, so eine Erfahrung zu machen, ihr werdet es garantiert nicht bereuen!
Meine Organisation isec, welche jedoch nur auf Kanada spezialisiert ist, kann ich mit gutem Gewissen weiterempfehlen.