Hi, ich heiße Amelie, ich bin 16 Jahre alt und komme aus München. Ich war in der 10. Klasse für 5 Monate in Montréal, Québec. Ich hoffe, euch mit diesem Bericht einen kleinen Einblick in das Leben als Austauschschüler geben zu können und euch dazu zu ermutigen, diesen Schritt zu wagen, denn es lohnt sich sehr.
Ich entschied mich damals nach Kanada zu gehen, da ich selbst noch nie zuvor dort gewesen war und Kanada gerade für Austauschschüler beliebt ist, da das Land damit wirbt und hohen Wert darauf legt aufgeschlossen und multikulturell zu sein. Montréal ist außerdem eine noch größere Stadt als München und hat deshalb auch noch einiges mehr an Sehenswertem zu bieten. Ein weiterer- für mich entscheidender- Faktor war die Zweisprachigkeit (Französisch und Englisch), die Québecs und vor allem Montréals, die aktiv gefördert wird und in keinem anderen Land so zu finden ist.
Die letzten Tage vor meinem Abflug waren stressig und auch ein bisschen traurig, weil man bei so vielen Dingen und Personen weiß, dass man sie ein halbes Jahr nicht sehen wird. Ich war aufgeregt und verunsichert zugleich, denn egal, was man sich vorher vorstellt, wie das neue Leben aussehen könnte, am Ende ist es doch ganz anders. Das Kofferpacken war mühsam und zeitaufwändig, da ich unsicher war, was ich in einem halben Jahr alles brauchen würde, aber am 16. August ging es dann endlich los.

Flugzeug

Auf dem Flug
Meine Familie begleitete mich noch nach Kanada und wir nutzten die letzten Ferientage, um Montréal und meine Gastfamilie besser kennenzulernen.
Mit mehr als 3 Millionen Einwohnern ist Montréal die zweitgrößte Stadt Kanadas und unter den bekanntesten Gebäuden sind sowohl moderne Hochhäuser als auch die historische Altstadt „Vieux Montréal“ mit einem wunderschönen, alten Hafen, an dem, gerade im Winter, viele Festivals stattfinden.

Blick über Montréal

Downtown Montréal
Meine Schule, Marymount Academy, lag im Stadtteil Westmount am Fuße des Berges Mont-Royal, dem die Stadt seinen Namen verdankt. Bis die Schule begann, am 2. September, mussten wir noch einige Besorgungen machen, wie ein Metroticket, Schuluniform, SIM-Karte, Schreibzeug und weiteres. Außerdem gab es vor Schulbeginn eine Führung durch die Schule für alle „Internationals“. Marymount hat ca. 500 Schüler, darunter 30 internationale Schüler. Von Jahr zu Jahr ist die Herkunft dieser unterschiedlich. Außer mir war noch ein weiterer Deutscher an der Schule, sonst hauptsächlich asiatische und südamerikanische Austauschschüler.

Vor der Schule
Am ersten Schultag fielen schnell Unterschiede zwischen deutscher und kanadischer Schule auf. Zum einen war der Umgang von Lehrern und Schüler viel persönlicher, viele Schüler umarmten ihre Lehrer zur Begrüßung und unterhielten sich über ihre Ferien.
Auch der Stundenplan und die Schulzeiten waren ganz anders. Hier in meinem Schulbezirk ist der Stundenplan immer auf neun Tage ausgelegt (nicht auf eine Woche), das heißt, man hatte nur alle neun Tage die gleiche Fächerkombination. Die Schule begann um 9 Uhr und endete immer um 15.30 Uhr und es gab nur 8 unterschiedliche Fächer (Englisch, Französisch, Sport, Musik, ERC (ethic, religion, culture), Mathe, Natur und Technik und Geschichte) sowie jeden Tag 10 Minuten „homeroom“, in denen Organisatorisches für die nächsten Tage geklärt wurde. Der Unterricht findet auf Englisch statt (was in Québec nicht selbstverständlich ist) und auffällig ist, dass fast immer frontal unterrichtet wird und jeder Lehrer „Smart Boards“ anstelle der Tafel nutzt. Die Notizen zum Unterricht werden nach jeder Stunde auf eine bestimmte Website gestellt, auf der auch Hausaufgaben und Prüfungstermine stehen und durch die man einfach alles nachholen kann, wenn man mal krank ist. Zu guter Letzt gab es alle paar Wochen eine Art Mottotag oder Mottowoche wie die „Welcome Back Week“ zum neuen Schuljahr oder mehrere „Dress Down Days“, an denen man nicht die Schuluniform tragen musste.
In der Schule trauen sich die meisten Austauschschüler nicht, einfach andere anzusprechen, meistens fehlt einem anfangs das Selbstvertrauen, aber Ausflüge, extra organisierte Trips für Internationals, wie Ausflüge zu naheliegenden Städten oder andere Aktionen wie Äpfel pflücken und vor allem Sportmannschaften und Teams in der Schule helfen einem dabei, neue Kontakte zu knüpfen.

Freunde
Meine Gastfamilie war ein junges Paar mit zwei Kindern, ein Junge, ein Mädchen und ich habe mich von Anfang an super mit ihnen verstanden. Ich war ihre erste Austauschschülerin, doch sie haben immer versucht, mir so gut es ging zu helfen. Ihr Haus war glücklicherweise nicht weit von Schule und Innenstadt entfernt und am Wochenende haben wir oft gemeinsam etwas unternommen. Auf der anderen Seite haben sie mir auch immer Freiraum gegeben, wenn ich ihn brauchte oder haben mich abends mit Freunden weggehen lassen, solange sie wussten, wohin ich gehe und wann ich wiederkomme.

Gastfamilie
Meine Gasteltern sind Kanadier mit asiatischem Hintergrund die perfekt Englisch sprechen, wobei für meinen Gastvater, der in Kanada geboren und aufgewachsen ist und für meine Gastgeschwister Französisch die Muttersprache ist.
Nicht nur meine Familie, sondern auch viele andere Leute, die ich in der Zeit kennengelernt habe, waren erstaunlich offen gegenüber anderen Kulturen und anderer Herkunft. Man wird natürlich trotzdem immer mal wieder mit Klischees konfrontiert, aber ganz Québec ist, nicht nur wegen der zwei offiziellen Sprachen Französisch und Englisch, internationaler. Im Herzen von Montréal ist z.B. eine ziemlich großes „Chinatown“ und es gibt einen asiatischen botanischen Garten, neben dem Olympiazentrum, das Montréal auch sportlich bekannt gemacht hat.

Chinatown

Botanischer Garten
Eines der wenigen Dinge, über die ich nie wirklich nachgedacht hatte bevor ich dort war, war das Wetter. Ende August, als ich ankam waren es noch 28 Grad, aber nach einiger Zeit kühlte es deutlich ab und nach einem sehr farbenfrohen Herbst begann die Kälte. Ende November hatten wir den ersten Schnee und schnell fielen die Temperaturen auf bis zu -25 Grad. Doch Québec ist für einen solchen Winter ausgelegt. Die meisten Kanadier kaufen nur Winterjacken, die bis fast zu den Knien gehen und dick mit Fell gefüttert sind und in der Innenstadt gibt es ein gigantisches, mehr als 30 km langes System aus unterirdischen Einkaufsstraßen und kleineren Malls, die einen vor der eisigen Kälte draußen bewahren.

Untergrundstadt

Herbst

Herbst

Erster Schnee
Es verändert sich viel im Leben durch einen solchen Austausch, ein anderes Umfeld, andere Freunde, Essen, Wohnung, Schule aber an die meisten Sachen kann man sich schnell gewöhnen und wenn die Zeit gekommen ist, sich zu verabschieden, ist man auf der einen Seite froh, seine Familie nach langer Zeit mal wieder zu sehen (Skype ist gut, aber eben doch nicht ganz das gleiche), aber auf der anderen Seite ist man doch traurig, all das zu verlassen, an das man sich schon so gut gewöhnt hatte. Was mich persönlich aufgemuntert hat, ist das Wissen, dass wir so jung sind, dass wir noch oft die Möglichkeit haben werden, einmal wieder zurückzukommen, auch wenn sich bis dahin Vieles verändert haben wird. Was immer bleibt, ist eine unvergessliche Erinnerung an eine wunderschöne Zeit.

Abschiedsbild