Leben in der Großstadt – mein Auslandsjahr in Calgary

Erfahrungsbericht von Larissa MenthAlberta

Hast du dir schon einmal Kataloge für Auslandsaufenthalte angeschaut und dir gedacht „da will ich hin“? So ging es mir für lange Zeit auch! Ich konnte es mir nicht ganz vorstellen so alleine in einem anderen Land zu wohnen und dort zur Schule zu gehen. Kann ich meine Heimat hier in Deutschland für ein Jahr zurück zulassen? Trotz aller Zweifel war meine Abenteuerlust auf Neues größer und so habe ich mich schließlich entschieden, nach Kanada zu gehen. „Warum Kanada?“, hat man mich öfters gefragt.

I love Canada's nature!

I love Canada’s nature!

Für mich hatten die Bilder von Kanada immer etwas Magisches; die Natur, die Weite, die Lage (in Amerika aber doch nicht die USA) und natürlich die Besonderheit, dass dort Englisch und Französisch gesprochen wird. Und jetzt kann ich auch sagen, dass die Menschen dort sehr herzlich und freundlich sind!

Moraine Lake

Moraine Lake

Also los geht’s! Vorbereitungen treffen, Sachen packen, Freunde und Familie verabschieden und plötzlich saß ich dann auch schon im Flieger! Es war mein allererster Flug und ich war total aufgeregt, wie alles sein wird oder werden könnte; meine Gastfamilie, meine Schule, mein Wohnort. Wie wird es sein in einer Großstadt wie Calgary zu wohnen? Natürlich hatte ich mir auch Gedanken über meine Sprachkenntnisse gemacht, da mein Englisch doch nicht so gut war.

flug-von-frankfurt-nach-calgary

Alles war so aufregend, neu und cool in den ersten Wochen als ich mit einem Mädchen aus Brasilien bei einer Gastmutter und ihrer kleinen 3jährigen Tochter zusammen gewohnt habe. Ich war total fasziniert von Kanada und Calgary! Ich war so beschäftigt mit den ganzen neuen Sachen und dem Lebensstil und hatte auch einiges in der Schule zu tun. Erst nach ein paar Wochen habe ich Zweifel bekommen und mir sind Dinge aufgefallen die mir eigentlich doch nicht so gut gefallen. Unsere Gastmutter hat uns wissen lassen dass wir nach 19 Uhr leise sein sollen damit die Kleine schlafen kann. Für uns beide hieß das, dass wir nach 19 Uhr nicht mehr duschen sollen, die Toilette nicht mehr spülen und generell keinen großen Krach machen. Für uns stand fest, dass wir so unser Austauschjahr nicht verbringen wollen. Es wurde danach auch mit jedem Tag schlimmer und es gab immer mehr Sachen die uns beiden gar nicht gepasst haben. Es kamen Tage an denen ich abends in mein Zimmer bin und an allem gezweifelt habe. Ich konnte so einfach nicht mehr! Das hört sich bestimmt jetzt alles schrecklich an aber am Ende eines Tunnels kommt immer ein Licht so wie das Sprichwort sagt. Wir haben probiert mit unsere Gastmutter darüber zu reden; haben uns aber gleichzeitig mit unserer Homestay-Koordinatorin in Verbindung gesetzt. Alles ging dann auf einmal ziemlich schnell und nach zwei Wochen waren wir beide jeweils in einer anderen Gastfamilie!

Wenn ich jetzt darauf zurückblicke kann ich sagen, dass mein Auslandsaufenthalt ab diesem ‘Thanksgiving‘ Wochenende nochmal ganz von vorne angefangen hat!! Alles war vom ersten Moment an anders und ich habe mich gleich viel wohler gefühlt! Ich hatte das Glück das ich nur 5 Straßen weiter gezogen bin und daher auch nicht meine Schule und Nachbarschaft wechseln musste. In meiner neuen Gastfamilie hatte ich drei Gastschwestern und zwei Gasteltern, zwei; später sogar drei Hunde und eine Katze. Ich wurde von Anfang an sofort ins Familienleben integriert sodass ich mich nach kurzer Zeit wie ein richtiges Familienmitglied gefühlt habe. Meine neuen Gasteltern haben sich für mein Schulleben interessiert; mir bei der Kurswahl geholfen, mich bei meinen Hausaufgaben unterstützt und mir immer geholfen wenn ich Fragen hatte. Auch bei meinen Freizeitaktivitäten bekam ich Unterstützung, weil die öffentlichen Verkehrsverbindungen nicht immer ideal waren.

An Wochenenden sind wir zusammen einkaufen gegangen,  zum Hundepark, in die Mall, bowlen, ‘farmer’s market‘, in den Zoo,  Erledigungen gemacht, ins Kino, und viele, viele weitere Dinge! Wir sind auch zum Wandern oder Skifahren in die Rocky Mountains gegangen. Meine erste Wanderung war am zweiten Wochenende mit meiner neuen Familie.

Aussicht vom Hundepark auf Calgary

Aussicht vom Hundepark auf Calgary

Wir sind nach Canmore gefahren und haben eine kürzere Tageswanderung zu zwei Bergseen gemacht. Die Aussicht war wunderschön!

Grassi Lake in Canmore

Grassi Lake in Canmore

In Calgary selber habe ich viele verschiedene Ecken, Plätze, Parks, Straßen, Sehenswürdigkeiten, Ausstellungen und Restaurants gesehen. Am Ende meines Aufenthalts kannte ich so viele interessante und schöne Plätze in dieser Stadt. Dies hätte ich mir am Anfang nie vorstellen können. Ich habe so viele schöne Erinnerungen an die ganzen Sachen die meine Gastfamilie und ich zusammen unternommen haben, dass man das gar nicht in Worte fassen kann! Hier aber einige kleine Ausschnitte: den Sonnenuntergang auf dem Calgary Tower verbringen, Skifahren in den Rocky Mountains, bowling, skating, chinesisches neues Jahr feiern , Rafting in Kananaskis, ‘tobogganing‘ und ‘tubing‘ (Schlittenfahren), Hockey Spiele, kanadische Weihnachtsmärkte, Künstlermärkte, Halloween party, Zoo lights, Schneeschuh wandern, Stampede…

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Dann kommen noch die Ausflüge in die Berge, ein langes Wochenende in Lake Louise im November, einen Roadtrip nach Kelowna am Anfang des Sommers, und ganz obendrauf zu meinem Kanada Erlebnis kam noch ein Wochenendtrip nach Californien ins Disneyland und zehn Tage Hawaii in den Frühlingsferien!

Auf dem Weg nach Kelowna – Stopp am Emerald Lake

Auf dem Weg nach Kelowna – Stopp am Emerald Lake

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Skifahren in Lake Louise und Sunshine Village

Skifahren in Lake Louise und Sunshine Village

Die Schule im großen Norden ist viel offener und freier mit verschiedenen Wahlmöglichkeiten. Ich habe Fächer wie tanzen, CALM (Career And Life Management), oder verschiedene Sportarten ausprobiert. Bei der Fächerzusammenstellung hatte ich auch von meiner zuständigen Lehrerin Hilfe. Die Schule war mit ihren 1700 Schülern und eigenem Parkhaus riesig  für mich. Hier in Kanada kann man ja bereits mit 16 Jahren alleine Autofahren! Und auch die Schulzeiten und Unterrichtseinheiten sind nicht mit Deutschland zu vergleichen. Meine Schule hat um 8:52am angefangen und endete  um 3:28pm. Man hatte 88 Minuten Unterricht, dann 3 Minuten Pause, 88 Minuten Unterricht und dann ‘lunch‘ (Mittagspause) für 33 Minuten. Danach kamen die anderen beiden Fächer mit wieder jeweils 88 Minuten. Freitags hatten wir immer ‘einen halben Tag‘ und die Fächer jeweils für 60 Minuten von 9 bis 13:06. Nachdem ich mich an das Schulsystem gewöhnt habe war es eine total tolle Erfahrung auf die High School zu gehen!

Was für mich in Kanada auch neu war, waren die ganzen verschiedenen Kulturen. Man hat Menschen aus aller Welt getroffen die hier geboren wurden oder als sie jünger waren nach Kanada umgezogen sind. Die große asiatische Bevölkerung war für mich ungewohnt aber ich habe mich schnell daran gewöhnt. Ich habe Freunde aus Asien, Afrika, Süd- und Nordamerika und auch Europa gefunden. Mein Gastvater hat auch chinesische Wurzeln.  Er ist in Kanada geboren aber seine Eltern sind ursprünglich von Hongkong. Zuhause wurde aber nur Englisch gesprochen da meine Gastmutter und meine Gastschwestern nur einzelne Wörter chinesisch konnten. Somit habe ich in meinem Austauschjahr nicht nur die kanadische sondern auch die chinesische Kultur kennen gelernt und erlebt. Chinatown war für mich immer wie eine andere kleine Stadt.

Chinatown

Chinatown

Die vielen kleinen Restaurants und Straßenmärkte und generell die große Zahl an asiatischen Einwohnern waren für mich als Europäerin neu. Wir sind öfters zum ‘Dim Sum‘ (chinesisches brunchen), zum Abendessen in einem chinesischen Restaurant, oder zu T&T, einem asiatischem Supermarkt gegangen was  auch immer ein Erlebnis war! Wenn ich ehrlich bin kam ich mir am Anfang etwas komisch vor, weil ich meistens einer der wenigen ‘weißen‘ in den Restaurants oder beim Einkaufen war. Ich habe mich aber total schnell daran gewöhnt und T&T war am Ende auch einer meiner Lieblingssupermärkte!

 

Nach dieser langen Zeit im Ausland lernte ich auch mehr zu schätzen was man eigentlich alles in seinem Leben hat! Ich wurde selbständiger, verantwortungsbewusster und achtsamer, flexibler und lernte viele neue Sachen dazu, nicht nur die englische Sprache! Ich habe so vieles gesehen und erlebt, dass ich Dinge besser einzuschätzen gelernt habe und mir es einfacher fällt mit fremden Menschen ein Gespräch anzufangen und mit ihnen umzugehen, da ich früher immer recht schüchtern gewesen war. In Deutschland hatte ich meine Freunde und Familie in der Nähe die immer für mich da sind. Hier in Kanada hat es eine Weile gebraucht bis ich mich eingewöhnt und zurecht gefunden habe. Da ich bis zu meinem Auslandsaufenthalt nur in Europa gereist bin war in Kanada alles neu für mich! Regeln oder Angewohnheiten wie die Wäsche selber zu waschen, ‘lunch‘ für die Schule zu richten, organisieren wie ich dort oder dort hinkomme, mein Lernverhalten dem kanadischen Schulsystem anpassen und vieles mehr. Aber ich war und bin immer noch offen für neues also hatte ich keine großen Probleme mich anzupassen! Als ich wieder zurück nach Deutschland kam sind mir auf einmal Dinge aufgefallen die ich vorher nie beachtet oder gesehen habe. Ich sehe vieles alte durch neue Augen und verstehe es auch in einem anderen Sinn. Ich bin mit meinen Erfahrungen gewachsen und trotz dass ich erst 17 geworden bin fühle ich mich schon ein kleines bisschen mehr erwachsener!

Neuer Blickwinkel nach einem Auslandsaufenthalt

Neuer Blickwinkel nach einem Auslandsaufenthalt

Mir hat es auch sehr geholfen, dass ich eine total tolle Gastfamilie gefunden habe nachdem mein Start in Kanada doch nicht so gut geklappt hat wie ich mir das vorgestellt habe. Meine Gastfamilie ist wie eine zweite Familie für mich geworden und ich hätte nicht gewusst was ich in manchen Zeiten ohne sie gemacht  hätte! Meine Zeit in Kanada ist viel zu schnell vorbeigegangen und ich könnte noch viel viel länger in diesem wunderschönen Land bleiben! Ich habe so vieles erlebt und gesehen in diesen 10 Monaten die ich in Calgary verbracht habe, dass es total traurig war am Ende Abschied von meiner Gastfamilie, meinen Freunden, der Stadt, den Menschen, der  Kultur, der wunderschönen weiten Landschaft, dem Essen, und vielem mehr zu nehmen und wieder zurück nach Deutschland zu gehen! Aber ich bin wirklich dankbar für diese wunderschönen 10 Monate in Kanada; meiner zweiten Heimat!

Horseshoe Canyon

Horseshoe Canyon

Eine Straße in Kanada

Eine Straße in Kanada