Bereits zweimal war ich vor meinem diesjährigen Kanadabesuch in Kanada. Das erste Mal bin ich 2015 mit meiner Mutter durch Alberta und British Columbia gefahren. Wir sind in Calgary gestartet, haben uns ein Auto gemietet und sind nur mit dem Wissen, wann und wo unser Rückflug war, losgefahren. Damals sind wir über Banf, Jasper und Whistler nach Vancouver und dann zurück entlang der US-Amerikanischen Grenze nach Calgary gefahren.
Das zweite Mal war dann 2016, wo wir den Kettle Valley Railway-Trail mit dem Fahrrad entlanggefahren sind. In diesem Jahr hatten wir schon etwas mehr geplant und wir wussten ungefähr wie viel Zeit wir für welche Strecke hatten also sind wir innerhalb von drei bis vier Wochen den KVR-T gefahren und dann mit dem Greyhound nach Victoria, wo wir nochmal eine Woche an der Strandpromenade und dann zurück bis zur Ferry gefahren sind. Die letzte Woche haben wir in Vancouver verbracht, bei der Familie, die die letzten drei Monate meine Gastfamilie war. Kennengelernt haben wir sie im Nirgendwo in ihrer ,,Cabin“ zwischen Summerland und Princeton. Wir wollten damals in dem Dorf Lebensmittel kaufen, aber das Geschäft hatte zu und so wurden wir vom Dorffeuerwehrmann eingeladen, in seinem Garten eine Nacht zu verbringen. Abends kamen dann immer mehr Menschen zum Lagerfeuer und so auch mein Gastvater, der mich in seine ,,Cabin“ eingeladen hat, um Zeit mit seinen und andere Kindern zu verbringen. Da habe ich dann zum ersten Mal meine Gastfamilie gesehen, und meine Gastmutter hat mich und meine Mutter direkt zu sich nach Vancouver eingeladen.
Ein Jahr später wollte ich dann ein drittes Mal nach Kanada gehen. Ich hatte von Freunden gehört, die für drei Monate in eine Auslandschule nach Neuseeland geflogen waren. Aber in den Jahren zuvor hatte ich einen solchen Gefallen an dem Land gefunden, in dem Ahornsirup fließt, dass ich unbedingt nach Kanada wollte.

Stamp River Falls
Ich hatte mich nach ein paar Organisationen umgeschaut und zur Probe ein paar Bewerbungen abgeschickt. Ungefähr zwei Minuten später kam von ISEC eine telefonische Antwort, dass sie meine Bewerbung erhalten hätten. Da war ich sehr verblüfft und auch mein Wunsch zu einer ganz speziellen Gastfamilie und somit auch in eine spezielle kanadische Schule zu kommen, war kein Problem.
Die Wochen schritten heran und somit wuchs meine Aufregung immer mehr. Ich hatte meinen Abflug so gelegt, dass ich noch innerhalb der Sommerferien in Kanada sein würde und dann noch zwei Wochen hatte, um in dem Land anzukommen, bevor die Schule anfangen würde. ISEC hatte mir die Kontaktdaten von einem anderen deutschen Mädchen gegeben, welche mit mir die gleichen Flüge nach London und dann nach Vancouver fliegen würde, damit ich meinen ersten Flug alleine mit jemandem teilen konnte.
Der Hinflug verlief ohne Probleme oder Verspätungen und es war sehr erleichternd, dass ich die ganze Zeit jemanden hatte, mit dem ich reden konnte. In Vancouver am Flughafen hat mich mein Gastvater, den ich ja schon kannte, abgeholt. Da ich meine Gastfamilie selbst ausgesucht hatte, brauchte ich also keinen ,,Custodian“ von ISEC. Auf der Fahrt zu meinem neuen Zuhause war ich ziemlich müde, habe aber versucht so viel wie möglich mit meinem Gastvater zu reden. Ich habe ihm einfach von meinem Flug erzählt und dass ich mich freue, die nächsten Monate bei ihnen zu leben.
Obwohl ich unglaublich müde war, bin ich am Abend lange wach geblieben. Im Gegensatz zu meiner Familie in Deutschland, wo ich mit meiner Mutter zusammenlebe, war meine kanadische Familie ziemlich zerstreut und aufregend. In Kanada hatte ich auf einmal zwei Gastbrüder (10 und 15 Jahre) und zwei Hunde. Mit den Hunden hatte ich wirklich Glück, da sie mich, obwohl ich anfangs Angst hatte, sehr mochten.

v.l.n.r.: Sidney, Gus und Luna, und JA, ich hatte ein Leckerchen in der Hand
Am nächsten Morgen habe ich mir eine Liste geschrieben, mit all den Dingen, die ich in meiner Zeit in Kanada machen wollte. Innerhalb der ersten zwei Wochen hatte ich den Großteil schon erledigt. Meine Gastmutter hatte mir eine Busfahrkarte für Vancouver mitgebracht, auf der ich nach Belieben Geld draufzahlen konnte, damit ich alleine durch die Stadt fahren konnte.
Meine beiden Gastbrüder spielen leidenschaftlich Eishockey und hatten deshalb auch innerhalb der Ferien drei- und fünfmal die Woche Training. Aus diesem Grund bin ich die meiste Zeit alleine losgefahren und habe die Stadt erkundet.

Mein kleiner Gastbruder
In Vancouver selber gibt es eine Straßenkreuzung, die ziemlich gruselig aussieht und einige Gassen, in die man besser nicht alleine hineingehen sollte, aber mein Gastvater hat mit mir anfangs eine Tour durch das Problemviertel gemacht, damit ich weiß, was ich beachten muss und nicht alleine auf diese Gegend stoße.

Seitengasse in Downtown Gastown
Meine Gastmutter hatte mir bald ein anderes deutsches Mädchen, Elli, vorgestellt, die auf der Straße der Schwester meiner Gastmutter wohnt. Obwohl Elli und ich uns erst zweimal getroffen hatten, fragte ich sie, ob sie nicht mit meiner Gastmutter, meinem kleinen Gastbruder, den drei Hunden (wir hatten inzwischen noch einen Pflegewelpen bekommen) und mir für ein Wochenende nach Vancouver Island fahren wollte. Mein kleiner Gastbruder hatte ein Eishockey-Turnier und so konnten Elli und ich uns in der Zwischenzeit die Stadt ansehen.
Am ersten Tag waren wir mit allen zusammen zu den ,,Stamp River Falls“ gefahren. Genau zu dieser Zeit hatten wir das Glück, dass die Lachse die Wasserfälle hoch geschwommen und gesprungen sind. Manche von ihnen waren bestimmt so groß wie unser Welpe. Die Hunde sprangen ganz begeistert bei strömendem Regen in den Fluss. Nach einem kleinen Fußweg hinunter zum Fluss haben wir plötzlich auf der anderen Seite einen Schwarzbären gesehen. Der Bär war vielleicht 30 Meter von uns entfernt und hatte im Wasser nach Fischen Ausschau gehalten. Das war eines meiner besten Erlebnisse in Kanada!

Schwarzbär am Stamp River Falls
Bei den Assesments, die alle Austauschschüler machen müssen, war ich sehr überrascht, dass ich in meiner Schule die einzige Nicht-Asiatin war. Generell waren auf meiner Schule bestimmt 90% Asiaten (im englischsprachigem Bereich), weshalb ich insgesamt mehr „ausländische“ Freunde als kanadische hatte.
In der Schule hatte ich kaum Probleme einen Anschluss zu finden, da ich am zweiten Schultag schon vor der zweiten ,,Period“ ein Mädchen, ihr Name war Clarinda, angesprochen habe, mit der ich auch meine erste ,,Period“ hatte. Anfangs war sie sehr schüchtern, aber nachdem wir unser erstes gemeinsames ,,Lunch“ gegessen hatten, wurde sie immer offener mir gegenüber. In meiner Zeit in Kanada wurden wir wirklich gute Freunde und haben viel miteinander erlebt.

Clarinda und ich
Im Vergleich zu Deutschland ist die Schule in Kanada deutlich leichter. Der Unterricht ist zwar etwas länger (75 Minuten), aber die Schule fängt später an, man hat nur vier Stunden am Tag und es gibt ,,Day 1“ und ,,Day 2“. Das bedeutet, dass man jedes Fach jeden zweiten Tag hat und somit ist der Unterricht viel intensiver. Bei manchen Fächern war das wirklich von Vorteil. Aber wenn man ein Fach gewählt hatte, das man nicht ganz so mag, ist es schon unvorteilhaft. Dennoch kommt es ja nicht nur auf die Schule an, sondern auf das Land, seine Leute und die Gastfamilie.
Da ich sehr nah zur Innenstadt von Vancouver gelebt habe, kam ich gut mit den öffentlichen Verkehrsmitteln überall hin. Zum Beispiel war ich gerade mal in 20 Minuten in einem wunderschönen Wald, in den meine Gastmutter und ich mehrmals mit den Hunden gegangen sind, in 30 Minuten beim Strand und bei dem berühmten Seawalk, und in anderthalb Stunden mit den Öffentlichen beim Grouse Mountain.

Downtown Vancouver vom Granville Island Market
Ich war zweimal auf dem Grouse Mountain. Das erste Mal alleine im Sommer bei wunderschönem Wetter und das zweite Mal mit vielen anderen Austauschschülern im Winter. Im Sommer hatte ich mir meinen Rucksack mit Lebensmitteln und einer Regenjacke vollgepackt und war den ganzen Tag auf dem Berg. Soweit ich das mitbekommen habe, gibt es das ganze Jahr über Attraktionen auf dem Grouse Mountain. Im Sommer gab es eine Vogelschau und die ,,World Famous Lumberjack Show“, welche man sich unbedingt ansehen sollte.

Aussicht Grouse Mountain
Im Winter gab es ein Treffen für Internationale Schüler vom Vancouver School Board, um Kontakte innerhalb der Austauschschüler zu knüpfen. Wir hatten sehr viel Glück mit dem Wetter, da es in der Nacht zuvor dreißig Zentimeter Neuschnee gegeben hatte. Wir waren in verschiedenen Bussen, nach Schulen getrennt, zum Berg gefahren. Das fand ich es sehr schade, da ich aus diesem Grund meine Freunde von der Eric-Hamber-Schule den ganzen Tag nicht gesehen hatte. Dennoch hatte ich so die Möglichkeit Sheron, eine Italienerin kennenzulernen. Sheron und ich waren aus unserer Gruppe die einzigen wirklich Schneebegeisterten und deshalb sind wir in der Freizeit nicht, wie die anderen ins Warme geflüchtet, sondern wieder raus um einen Schneemann zu bauen.

What A Lovely Snowman 🙂
An diesem Tag bin ich dann auch wieder nach Hause geflogen. Am Flughafen in Vancouver war ich sehr traurig meine Gastfamilie, meine neuen Freunde und das Land zu verlassen. Ich bin mir sicher, dass ich so bald wie möglich wieder zurückkehren werde, um diese wundervollen Menschen wieder zu sehen. Es war sehr leicht Anschluss zu finden und obwohl ich nur kurze Zeit in dem Land war, habe ich tolle Eindrücke mit nach Hause genommen.