Viele junge Menschen träumen davon einmal im Ausland zu leben, Erfahrungen zu sammeln und in eine fremde Kultur einzutauchen. Durch mein Auslandssemester in Kanada ist mir genau das gelungen. Ich habe mich dazu entschieden ein halbes Jahr in Québec City, in Québec zu verbringen. Auch wenn ich aufgrund des Corona Virus meinen Aufenthalt abrupt abbrechen musste, und mir das wirklich das Herz gebrochen hat, würde ich mich jeder Zeit, ohne auch nur eine einzige Sekunde zu zögern, erneut darauf einlassen einen kleinen Teil unserer großen Welt für eine kurze Zeitspanne mein zuhause nennen zu können.
Ich habe insgesamt genau 75 Tage in Kanada verbracht und in dieser doch relativ kurzen Zeit so vieles erlebt, so vieles gelernt und so viel Neues erfahren dürfen, dass es mir eigentlich wie sechs Monate vorkommt. Eine Freundin von mir hat ein Auslandssemester einmal so beschrieben, als wäre man in einer neuen, aufregenden, anderen Welt und stellt nur durch sich selbst und den Kontakt mit Freunden und Familie aus der Heimat eine Verbindung zwischen diesen beiden Welten dar. Genau so fühlt es sich an. Durch die Unterbringung in einer Gastfamilie, wobei ich wirklich sehr viel Glück mit meiner hatte, ändert sich schon einmal sehr viel. Wo man doch vorher immer von seinen Eltern und vielleicht auch Geschwistern umgeben war, ist man auf einmal komplett allein. Man findet sich in einer neuen Familienstruktur wieder, in der man zunächst einmal seinen Platz finden muss. Außerdem wird auf einmal auch eine andere Sprache gesprochen, in meinem Fall sogar zwei, Französisch mit meiner Gastmutter, Englisch mit meinem Gastvater und mit meinen beiden kleinen Gastgeschwistern je nachdem auf was sie gerade aufgelegt waren. Auf einmal hatte ich ein zweijähriges und ein vierjähriges Geschwisterchen, das war für mich etwas komplett Neues.

Da mein Gastvater Souschef ist, gab es immer wirklich gutes Essen. Natürlich alles mit Ahornsirup, schließlich befinden wir uns ja in Kanada 🙂
Dadurch wurde ich aber auch wieder vor neue Herausforderungen gestellt und konnte auch nebenbei einiges darüber aufschnappen, wie man mit so kleinen Kindern umgehen sollte. Das Leben in einer Gastfamilie ermöglicht es einem einfach sehr, sehr viel Lebenserfahrung zu sammeln. Die meisten denken wahrscheinlich zunächst über die neue Schule und die neue Umgebung nach, aber meiner Meinung nach bringt einem das Leben in einer Gastfamilie auch sehr viel, sofern man sich wirklich ins Familienleben einbringt und auch bereit ist, Zeit hinein zu investieren. Man bekommt sehr viel dafür zurück. Die Zeit, die ich bei meiner Gastfamilie verbracht habe, werde ich sicherlich niemals vergessen, so viel steht fest!
Der Gedanke an eine neue Schule zu gehen, mit einer neuen Sprache und komplett neuen Leuten, ohne den Rückhalt meiner Freunde, war anfangs wirklich beängstigend. Ich würde sogar sagen, dass ich davor den größten Respekt hatte, mehr als vor einer neuen Familie oder einer anderen Sprache. Allerdings war meine Sorge, nicht gleich Anschluss zu finden oder mich irgendwie exkludiert zu fühlen, völlig unbegründet. Es gibt das Vorurteil, dass Kanadier sehr freundliche, höfliche und liberale Menschen sind, und ich kann dem nur vollkommen zustimmen. Nicht nur meine Lehrer haben mich sofort in den Unterricht inkludiert und mir alle nötigen Informationen zukommen lassen, auch die anderen Schüler meines Jahrgangs und des Jahrgangs unter mir sind offen und ohne Vorurteile auf mich zugekommen. Mit mir wurde geredet und wirklich Interesse an mir und meinem Leben gezeigt. Ich habe in der Schule niemals das Gefühl gehabt ausgeschlossen zu werden oder irgendwie anders behandelt zu werden, weil ich „neu“ war. Ich habe großartige Freunde gefunden und mich wirklich in eine Freundesgruppe eingliedern können. Wir stehen immer noch in Kontakt und ich freue mich darauf, sie wieder zu sehen.

Valcartier’s Winter Playground, ca. 30 Minuten von Quebéc City entfernt. Auf den verschiedensten Schneebahnen haben Tina (Taiwan), Nunnapat (Thailand), Diana (Deutschland) und ich unsere Zeit genossen – lustige Reifenrides und viele Lacher inbegriffen.
Was ich an der kanadischen High School so besonders finde, ist, dass Lernen nicht unbedingt das Wichtigste ist. In Österreich ist der Hauptsinn, dass wir so viel wie möglich eingetrichtert bekommen, in Québec geht es vor allem darum seine Interessen zu vertiefen und sich darauf zu konzentrieren was einem liegt. Trotzdem lernt man noch genug und es wird einem nicht fad. Am besten haben mir die vielen außerschulischen Aktivitäten gefallen, die angeboten wurden. Ich war ein Teil des „hiking club“, bin im Jänner und Februar jeden Montag nach der Schule in das ca. 30 Minuten entfernt liegende Schigebiet „Le Relais- Lac Beauport“ mit einer Gruppe von denen die wollten, gefahren- und ohne dafür etwas zahlen zu müssen. Außerdem war ich Mitglied der „music concentration“. Dadurch hatte ich die Möglichkeit mit lauter musikbegeisterten Mitschülern meiner Kreativität freien Lauf zu lassen und mich selbst zu verwirklichen. Ich habe begonnen ein neues Instrument, nämlich die Querflöte, zu lernen und mir auch Klavier und Ukulele angeschaut. Jeden zweiten Tag habe ich meinen Unterricht auf freiwilliger Basis, um 8 Uhr statt um 8:40 beginnen können. All diese Möglichkeiten, die einem zusätzlich zur Schule noch zur Verfügung standen, das hat mich wirklich fasziniert und war wahrscheinlich auch einer der Hauptgründe, warum ich es als Spaß ansah und immer noch ansehe, die kanadische High School zu besuchen. Es ging um so viel mehr als nur lernen, es ging darum Teil einer Schulfamilie zu sein, wo sich die meisten Leute jahrgangsübergreifend kennen, wo alle bei Basketballspielen ihre Schule anfeuern, ja sogar am Wochenende vorbeikommen nur um ihre Freunde zu unterstützen. Der Schoolspirit, der an der Québec High School in Québec City herrscht, holt einen einfach ab und gibt einem das Gefühl, Teil eines großen Ganzen zu sein. Dieser Spirit, die Herzlichkeit und Hilfsbereitschaft, vor allem aber die Offenheit gegenüber „Exchange students“ ,meiner anfangs Mitschüler, mittlerweile Freunde, und das tolle Angebot an Aktivitäten, haben meinen Aufenthalt in Québec zur bis jetzt schönsten Erfahrung meines Lebens werden lassen.
Natürlich ist die Schule aber nicht der einzige Punkt weshalb man ein Auslandsjahr macht und definitiv nicht der Grund warum man sich für ein Land, eine Provinz, und eine Stadt entscheidet. Ich habe meine Wahl aufgrund von Französisch getroffen, damit war Québec schon einmal fix. Warum sollte man auch nur eine Sprache verbessern wollen, wenn doch auch zwei möglich sind? 🙂 Danach habe ich sehr lange zwischen Montreal und Québec City überlegt, mich jedoch für das letztere entschieden. Diese Wahl war definitiv die richtige. Erstens ist Québec City keine Millionenstadt, sondern mit ca. 500 000 Einwohnern noch recht überschaubar im vergleich zu Wien zum Beispiel- das war mir sehr wichtig, und zweitens ist es dort einfach traumhaft schön. Die Innenstadt hat ein besonderes Flair, und einiges zu bieten. Ist man touristisch unterwegs kann man sich gerne diverse Museen zu Gemüte führen, das habe ich gemacht, oder einfach durch die Altstadt oder einen naheliegenden Park spazieren. Ich würde nur sehr empfehlen, dass wenn man im Winter dort ist, man bei -20 Grad nicht zu lange draußen bleiben sollte, ich spreche da aus Erfahrung. Québec City ist eine sehr belebte Stadt, in der einiges los ist. Was mir sehr gut gefallen hat war der „Carnaval du Québec“, ein Event, dass man nur in Quebec City besuchen kann.

Beim Carnaval du Québec begegnet man so einigen monströsen Gestalten und faszinierenden Bauten aus Schnee und Eis. Fun Fact: Er findet immer in der kältesten Woche des Jahres statt, als erfrieren alle halb ^^
Außerdem gibt es sehr viele kleine Cafés, die zu meiner großen Überraschung guten Kaffee verkauft haben. Natürlich kann man eigentlich auch in jedem beliebigen Restaurant, Fast Food Place oder sogar Supermarkt „poutine“, das Nationalgericht Québecs, bestellen. Es handelt sich dabei um Pommes Frites mit Gravysauce und einem bestimmten Käse, sollte man auf jeden Fall kosten! Ein Geheimtipp ist es, extra Würstel mit zu bestellen, die machen sich wirklich gut im Gericht, und kalorienmäßig ist‘s eh schon wurscht.
Québec City hat aber nicht nur kulturell etwas zu bieten, sondern auch landschaftlich und klimatisch.

Auf meinem Weg zur Bushaltestelle
Ich glaube, ich habe noch nie so einen traumhaft schönen Winter gesehen.

„Les Chutes de la Chaudiere“
Es war zwar teilweise eisig kalt, aber die Schneemassen und die Eisfiguren waren es wert. Ein echter Geheimtipp ist es „ les Chutes de la Chaudiere“ die sich in Levis befinden, die Nachbarstadt Québec Cities.
Das Naturspektakel, das sich mir hier im Winter gezeigt hat, war einfach nur beeindruckend und sehr faszinierend.

vereiste Äste nach einem Regen
Ein weiterer Geheimtipp, vor allem für kunstbegeisterte, sind die Tunnel, die die einzelnen Gebäude der „Université Laval“ miteinander verbinden. Sie sind verziert mit lauter bunten Graffitis, die Probleme und Missstände unserer Zeit ansprechen und verarbeiten.

Die Wände der Tunnel zieren verschiedenste Kunstwerke, die Rassismus, Sexualität oder politische Missstände aufgreifen und behandeln – auf jeden Fall einen Besuch wert!
Sollte man sich körperlich betätigen wollen, einfach nur Schlittschuhe ausborgen oder selbst mitbringen und entweder neben dem „Musée national des beaux- arts du Québec“ oder auf dem „Place D’Youville“ auf der Eislauffläche herumtanzen. Vor allem wenn es schon dunkel ist und die Eislaufplätze beleuchtet werden, und klassische Musik spielt, ist das Ambiente perfekt.
Mein Aufenthalt in Québec City hat mich sehr stark verändert und mir so vieles gezeigt, was ohne ein Auslandsemester nicht möglich gewesen wäre. Ich bin an meinen Erfahrungen gewachsen und konnte mich so als Mensch sehr viel weiterentwickeln. Erstens habe ich jetzt Freunde auf der ganzen Welt verteilt, da es auch sehr viel Austauschschüler aus Mexiko, Thailand, China und Europa gab, zweitens habe ich einen Platz in einem zweiten Land den ich wie ein zweites zu Hause betiteln würde. Meine Persönlichkeit hat sich weiterentwickelt, ich habe keine Probleme mich mit fremden Leuten zu unterhalten und habe alles in allem einfach eine großartige Erweiterung meines Horizonts erfahren dürfen. Im Großen und Ganzen würde ich mein Auslandssemester als perfekt beschreiben. Natürlich gab es hin du wieder Situationen, die nicht optimal waren oder in denen ich meine Familie und meine Freunden vermisst habe, aber jetzt, ca. 2 Monate nach meiner Rückreise erinnere ich mich eigentlich nur mit einem Lächeln und einem positiven Gefühl zurück.

Wenn man in Kanada ist, muss man einfach gewisse kulturelle Erfahrungen machen. Deshalb habe ich mir ein Eishockeymatch angeschaut, ist übrigens wirklich wie im Film!
Und eines steht für mich fest: ich freue mich jetzt schon auf meinen nächsten Besuch in Québec City, weil es immer noch sehr vieles zu erkunden gibt und die Menschen und die Stadt generell mir sehr ans Herz gewachsen sind. Therefore, see you soon Québec City!